Geschichte für die Siegerin des Gewinnspiels 2022


Aaron schlenderte neben Miri durch den Wald, an dessen Rand sie sich verabredet hatten. Eine ziemliche Portion an innerer Unruhe hatte er zu ihrem Wiedersehen mitgebracht und hoffte, dass man ihm dies nicht anmerkte. Aber gerade dann, wenn eine Frau so einen Zustand nicht bemerken sollte, verhielt sich ein Mann besonders auffällig. Dies schien ihm eine Art ungeschriebenes Gesetz zu sein. Noch dazu beschäftigte ihn die Tatsache, dass es sich um ihr drittes Date handelte. Dabei sprach man doch oft davon, dass es dann bereits die erste sexuelle Annäherung gab, um herauszufinden, ob man in dieser Hinsicht kompatibel war. Aaron war sich nicht sicher, ob er sich dieser Herausforderung bereits stellen sollte. Miri war ihm sehr sympathisch und doch brodelte in ihm die Angst, dass er ihr das Wasser möglicherweise nicht reichen konnte oder er ihr einfach nicht genügte. Immerhin hatte er die Triskele erkannt, die als eindeutiges Symbol auf dem Anhänger angebracht war, der an einem Kettchen um ihr Handgelenk gebaumelt hatte. Dieses Symbol war ihm im Internet einige Male begegnet und es deutete immer auf eine ganz bestimmte Form der Sexualität hin, zu der Miri offensichtlich auch einen Zugang hatte. "Du bist heute so wortkarg? So kenne ich dich gar nicht" versuchte Miri das Eis zu brechen. "Oh, entschuldige! Das ist keine Absicht." "Du musst dich dafür nicht entschuldigen. Mir ist es nur aufgefallen, dass du bei den letzten beiden Verabredungen lebhafter gewesen bist. Du wirkst, als würdest du über etwas nachdenken. Kann ich dir irgendwie helfen?" Jetzt war der Augenblick der Wahrheit herbei geeilt. Sobald Aaron jetzt die Unwahrheit sagen würde, würde Miri das herausfinden und er wäre unten durch. Zudem plagte ihn letztendlich ja ein sexuelles Thema und wie kam es jetzt an, wenn er dies ansprach? Besonders viel wussten sie beiden nicht voneinander, aber er fühlte sich nun einmal von ihr angezogen. Am besten, er bezog sich ganz einfach auf das Symbol, das er an ihrem Handgelenk gesehen hatte. Dadurch fand er leichter in das Thema herein, ohne den Eindruck zu vermitteln, dass er leichtfertig in einem Waldstück Sex zur Sprache brachte. "Ich musste die ganze Zeit an etwas denken, dass mir bei unserer letzten Begegnung aufgefallen ist" wagte er seinen Vorstoß. Nach Miris Anmerkung tat er gut daran, nicht zu schweigsam zu sein. Denn wiedersehen wollte er sie ganz sicher auch nach diesem Tag. "Was meinst du denn?" "Das, was du an der Kette getragen hast. An deinem Handgelenk. Ich finde, da gehört schon sehr viel dazu ,sich so etwas zu trauen." "Findest du? Wer soll es einem denn verbieten? Wenn man es tragen möchte, dann sollte man das auch tun. Viele Anhänger haben eine symbolische Bedeutung. Und wenn man dieser Bedeutung nachgeht, dann kann man unter Umständen eben etwas mehr über den Träger solcher Anhänger erfahren" zeigte sich Miri recht offen. Das wiederum klang sehr danach, als hätte sie ganz bewusst dieses Kettchen in den Sichtbereich bugsiert, um Aaron etwas aus der Reserve zu locken. "Ich empfinde das als sehr mutig" drückte Aaron seine Bewunderung aus. "So arg mutig ist das nicht" spielte sie es herunter. "Wer soll es mir denn verbieten? Dazu müsste man sich erst einmal mit der Materie befassen, um sich selbst eine Meinung dazu zu bilden. Und manchmal muss man eben einfach einen neuen Weg beschreiten, weil einem sonst viele schöne Momente entgehen werden. Also ist es eigentlich weniger Mut als mehr die pure Neugier und die Lust auf Genuss und auch darauf, einfach anders als andere zu sein, die vieles eben nicht kennen. Oder nicht nachvollziehen können." "Aber man muss sich trauen und über seinen eigenen Schatten springen dafür." "Fällt es dir schwer? Dein eigener Schatten ist auch nicht länger als der von anderen. Und der Sprung ist möglich" versuchte Miri ihn zu ermutigen und sah ihn an. Dieser Waldweg bot Aaron eine gute Möglichkeit, ihrem Blick zu entgehen. Dort konnte er auf den Boden vor sich sehen, damit er nicht plötzlich stolperte und hinfiel. Um in Miris Augen zu sehen, war er für den Moment etwas zu unsicher. "Manchmal ist das schon so. Über den eigenen Schatten zu springen bedeutet auch, ihn trotz der Welt um sich herum zu machen. Und nach dem Sprung hat sich etwas verändert und das Umfeld nimmt diese Veränderung wahr. Doch erst hinterher merkt man, wie sie zu einem stehen und ob sie diese neue Seite an dir auch annehmen." "Ich verstehe. Doch spielt das überhaupt eine Rolle? Kannst du nur einen Fortschritt erleben, wenn alle anderen dich auch so akzeptieren, wie du hinterher bist?" "So fühlt es sich für mich in jedem Fall immer an" entgegnete Aaron kleinlaut. "Wenn sie dich nicht mehr akzeptieren, weil du dich aus deiner Sicht zu deinem Vorteil weiterentwickelt hast und auch nichts Böses machst, dann würd sich für mich eher die Frage stellen, ob deine Freunde auch echt waren. Deshalb habe ich mich nie gescheut, den Anhänger an der Kette auch zu zeigen. Wer mich deswegen ablehnt, der muss sich selbst noch weiterentwickeln, damit er mich verstehen lernt oder er lässt es bleiben." "Das hört sich sehr stark und selbstbewusst an." "Selbstbewusst bin ich nicht so arg. Ich stehe nur zu mir und meiner Persönlichkeit. Ich habe einmal einen Spruch gelesen, der mir da weitergeholfen hat. Auch wenn er eigentlich banal war, so hat er meine Welt doch ein wenig verändert." "Und der hat es für dich einfacher werden lassen? Wie lautete denn dieser Spruch? Eventuell kann er mir ja auch helfen." "Im Internet habe ich irgendwo gelesen: Ihr lacht über mich, weil ich anders bin? Ich lache eher über euch, weil ihr alle gleich seid. Ich finde, in diesem Ausspruch steckt mehr Wahrheit als man denkt. Ist es denn nicht so, dass es in den aller meisten Fällen Kleinigkeiten sind, die dich von etwas abhalten? Oftmals halten dich kleine Dinge, die für dich selbst sehr groß wirken, davon ab neue Ufer zu erreichen. Welche sind es bei dir? Was triggert dich und lässt deinen Mut sinken?" Aaron schaute weiter zielsuchend auf dem Waldboden herum, während er einen Fuß vor den anderen setzte. Nun war die Tür geöffnet. Miri bot ihm jetzt sogar an, über alles zu reden. Obwohl es sich um einen sonnengeschützten Teil des Waldes handelte, stand er buchstäblich am Rande seines eigenen Schattens. Bloß springen musste er selbst. "Du bist schon viel weiter als ich" begann er, etwas aus sich herauszukommen. "Das mag sein. Es ist immer jemand da, der weiter in der Entwicklung ist als man selbst. Das ist aber nicht schlimm. Irgendwann beginnt man seinen Weg." Miri äußerte sich ganz bewusst ermutigend. Er durfte ganz einfach nicht daran denken, was er zum offensichtlichen Charakter einer dritten Verabredung im Hinterkopf hatte. Eine fest geschriebene Grundregel gab es dafür nämlich nicht. 

 

Nachdem sie sich bereits einige Zeit auf ihrem Weg durch den Wald befunden hatten, fanden sich nun keine anderen menschlichen Fußspuren mehr ringsherum. Hier gab es ganz sicher keine fremden Ohren, die etwas aufschnappen konnten, was nicht für sie bestimmt war. Obwohl die Dunkelheit hier eine eher vertraue Atmosphäre erzeugte, schlug Miri vor, sich auf einer Lichtung, die in Sichtweite war, gemeinsam ins Gras zu setzen, um sich einmal ganz ungehemmt aussprechen zu können. Aaron hatte nichts dagegen. Ihrem Blick konnte er dennoch auch in der Lichtung entgehen, wenn er statt auf den Waldboden eben ins Gras starrte. Er war sich sicher, dass Miri Verständnis dafür aufbrachte, auch wenn es dann keine wirklich perfekte Unterhaltung wurde. Irgendwie mussten sie sich dem Ziel annähern. Bis hierher hatte er ihr noch nichts offenbart, was ihn triggerte und nach seiner Auffassung von ihr unterschied. Miri selbst sah den Unterschied als nicht sonderlich groß an. Möglicherweise war Aaron bloß einen Schritt vom Ziel entfernt. Nur musste er endlich damit beginnen, sich aus dem eigenen, unsichtbaren Gefängnis zu befreien. Selbstverständlich würde Miri die Geduld aufbringen und auf seine Äußerungen warten. Unter Druck sollte so etwas nicht passieren, aber vielleicht wirkt die Lichtung ja Wunder, die sie gerade erreicht hatten. Miri hätte ihm unter normalen Umständen den Vortritt dort hinein gelassen, doch hielt sie es in dieser Situation für glücklicher, wenn sie einen guten Platz aussuchte und dort gleich Platz nahm, so dass er sich neben ihr platzieren konnte, womit man endlich in die Tiefe gehen konnte. In gewisser Weise war sie auch neugierig darauf, was ihn beschäftigte. Endlich saßen sie, auch wenn Aaron sich noch ausschwieg. "Es beginnt doch schon mit offensichtlichen, optischen Merkmalen" legte er endlich los. "Was ist denn mit ihnen?" "Nun, man sieht sie und jeder, der über sie Bescheid weiß, denkt sich seinen Teil. Wie mit deinem Kettchen. Ich habe gleich recherchiert um herauszufinden, was es damit auf sich hat und manch andere wissen sofort darüber Bescheid. Dadurch musst du nicht einmal aussprechen, welche Eigenschaft du hast, man sieht sie dir an. Dir selbst ist es recht, dass man dich dazu nicht erst fragen muss. Und damit sprichst du sogar ganz genau diejenigen an, die dieses Symbol kennen und vor allem deswegen Kontakt zu dir aufnehmen wollen." "Und das siehst du als schlimm an? Oder zumindest als negativ?" "Nicht direkt negativ" wirkte Aaron nachdenklich. "Aber wenn ich mir überlege, dass es auch andere Leute sehen könnten, die sich mit einem solchen Symbol genau auskennen und mir gegenüber zwar nichts sagen, aber stattdessen hinter meinem Rücken über mich reden und diese Kunde weiter verbreiten. Dadurch würde meinem Namen ein bestimmter Ruf anhängen. Also wenn ich einfach in der Öffentlichkeit zum Beispiel einen Ring der O tragen würde oder ein Halsband oder etwas Vergleichbares." "Meinst du denn, es schadet deinem Ruf? Was sollten sie denn in dem eigenen Umfeld über dich erzählen, was dir schadet? Sowas tun doch in erster Linie Kinder. Ab einem gewissen Alter sollte man da absolut drüber stehen." Aus Miris Mund klang alles immer einfach, in jedem Fall einfacher, als den nächsten Schritt zu gehen. "Natürlich sollte man drüber stehen, doch tun das auch alle?" "Das weiß ich nicht. Ich vermute nein, doch es stört mich nicht, was hinter meinem Rücken möglicherweise getratscht wird. Wenn man mir das nicht direkt ins Gesicht sagen kann, dann ist es auch nicht wert, einen Gedanken dazu zu verschwenden. Kommunikation betreibe ich nur von Mensch zu Mensch, auf direktem Weg. Und es ist noch nicht mal gesagt, dass du zu jeder Zeit solche offensichtlichen Merkmale oder Symbole tragen musst. Oder denkst du, das ist so üblich?" "Na ja, du hast auf alle Fälle diese Kette in meiner Gegenwart getragen. Und auch wenn die Symbolik dahinter nicht jeder kennt, wenn es stattdessen ein Halsband ist, dann wäre es sehr viel auffälliger und würde mehr aussagen. Deshalb wäre es keine Option, so etwas in der Öffentlichkeit zu tragen." "Das müsstest du doch auch gewiss nicht. Letztendlich ist eine Beziehung ein Zusammenspiel zweier Personen und lebt davon, was beide voneinander erwarten oder verlangen. Rund um die Uhr ein Halsband zu tragen, wäre in nahezu keinem Beruf machbar. Weil es gerade im beruflichen Umfeld stark Anstoß erregen kann. Von daher wäre es 24/7 wohl überwiegend nur ohne einen Arbeitsplatz möglich. Wobei es im Homeoffice zum Beispiel schon wieder in Betracht kommen könnte, wenn einen wirklich niemand sehen kann. Es kommt doch immer an, was man zu zweit daraus macht. Und es spielt niemals eine Rolle, wie sich Dritte dazu auslassen. Schließlich führt man keine öffentliche Beziehung, in der ein anderer ein Mitspracherecht hat." "Dann hast du das Kettchen getragen, weil es dir nichts ausgemacht hat, dass ich es sehe." "Ja und du könntest ebenso den Ring der O oder sogar ein Halsband bei diesem Spaziergang tragen, weil es hier ohnehin niemand sehen kann. Es kann sogar spannend sein, Dinge unbemerkt in der Öffentlichkeit zu machen. Sachen, die keiner versteht obwohl sie vor aller Augen zu sehen sind. Das wäre zum Beispiel ein anderes, verabredetes Zeichen, dass zwei miteinander verbindet, ohne dass andere Leute das wissen. Wobei das sicher für einen Einsteiger noch keine Option ist. Auch wenn man über den Schatten gesprungen ist, muss ja alles langsam wachsen. Gemeinsam." "Das ist schön, dass du es so siehst. Die nächste Stufe darüber stellt dann nämlich die Familie dar. Bei dem familiären Umfeld kommt vielleicht noch dazu, dass sie versuchen würden, auf einen einzureden, wenn sie solche Signale erkennen. Um mich dann einfach vom Gegenteil zu überzeugen. Davor hätte ich auch Angst." "Bei der Familie ist es grundsätzlich nicht anders. Auch innerhalb der Familie sind es Menschen, mit denen du interagierst. Menschen, die ebenso Fehler machen können wie du und die auch ihre dunklen Geheimnisse haben. Gerade in der Sexualität. Nirgends triffst du auf eine größere Doppelmoral als in der Familie. Sie erzählen dir sonst etwas, und was glaubst du, wie es in Wirklichkeit hinter deren Gardinen im stillen Kämmerlein aussieht? Nicht anders als in deinem Kopf. Sorge dich also nicht darum." "Wenn sich die Familie abwenden würde, weil ich Vorlieben habe, mit denen sie nicht klar kommt, wäre es dennoch blöd irgendwie." Miri lächelte und sah ihn erneut an, während er erwartungsgemäß ins Gras vor sich schaute. "Orientiere dich lieber an deinen Freunden. Auch, wenn es abgedroschen klingt, aber es ist deine Familie, die du dir selbst aussuchst. Aber wie vorhin gesagt: Gib auch ihnen wiederum nicht zu viel Raum. Du selbst bist die entscheidende Person und innerhalb einer Partnerschaft auch die Frau an deiner Seite. Es gibt nichts Schlimmes oder Verruchtes, das jemand anderen etwas angeht." "Also ist es dir gelungen, auch dieses Problem zu lösen." "Ich habe das für meine Familie unter dem Radar gehalten. Aber auch wenn sie es wüsste, werde ich darüber stehen." "Du hast recht, ich muss mich mehr von solchen Glaubenssätzen lösen, wenn ich mehr Spaß haben will. Nicht dabei an andere denken und ein schlechtes Gewissen haben. Aber es ist so schwer." "Gibt es noch mehr Gedanken, die es dir erschweren, dich ausreichend fallenzulassen?" Miri versuchte Aaron alle möglichen Brücken zu bauen, um ihm zu helfen. Ein wenig störte sie zwar, dass Aaron sich ihrem Blick entzog, aber gerade bei diesem Thema wollte sie die Meßlatte nicht zu hoch hängen. "Das gesamte Leben irgendwie." Miri lachte. "Oh, das ist aber sehr viel. Was meinst du denn damit?" "Ich bin ein Mann. Von mir erwartet jeder, dass ich das Sagen habe und den Ton angebe. Ganz besonders im beruflichen Umfeld. Stark sein ist da die Devise, wenn man ein wenig aufsteigen will und das erleichtert mir meine Neigung nicht unbedingt. Obwohl, viele Prominente können ihr Liebesleben ganz gut verbergen, aber die schirmen sich auch besser ab, vermute ich." "Manche stehen sogar dazu. Wenn sie ihr Ziel erreicht haben und somit nichts mehr verlieren können auf dem Weg dorthin. Davon wärst du natürlich noch ein bisschen entfernt. Aber andererseits ist es natürlich auch eine Entwicklung bis dahin. Du wirst sie durchschreiten und dann, wenn es soweit ist, entscheiden können wie du es am besten anstellst, wenn du etwas verkünden willst. Oder du behältst es einfach weiter für dich. Du musst kein öffentliches Leben führen. Wie ich schon sagte, von deiner Lust muss niemand etwas mitbekommen. Außerdem wirst du im günstigsten Fall ja auch diesen Weg nicht alleine gehen und deine Partnerin wird auch Tipps für dich haben, weil ihr euch aussprechen werdet und alles voneinander wisst. Mach dir also auch darum keine Sorgen!" "Und wie werde ich mich im Beruf durchsetzen können?" "Wer sagt denn, dass du es nicht kannst? Dort bekommt keiner etwas von deiner Lust mit und du kannst doch sicher mehr als nur einen Bereich deines Lebens mit Herzblut füllen? Hast du eine kleine Vorstellung davon, was zum Beispiel in Japan der Fall ist?" Nun sah Aaron sie tatsächlich neugierig an. Mit den Verhältnissen in Japan hatte sie seine Neugier in besonderer Weise hervorgerufen. "Was meinst du denn? Japan? Dort kenne ich mich nicht so gut aus, ehrlich gesagt." "Ich habe auch nicht den völligen Durchblick durch deren Kultur. Aber es gibt dort recht mächtige Bosse in der Wirtschaft, die alle eine wahnsinnige Macht und Verantwortung besitzen für ihre eigene Firma und eine Vielzahl von Angestellten. Und die haben durch die Bank eine Domina, damit sie einmal die andere Seite der Fahnenstange erleben können. Du kannst kein Auto immer nur mit Vollgas fahren und du bist auch nicht jeden Tag immer gleich drauf. Somit sind sie sich auch der wichtigsten Verantwortung bewusst und das ist die gegenüber ihres eigenen Ichs." "Sie bedienen damit also die eigene Neigung ganz gezielt und suchen sich dazu noch den Tag und auch die Uhrzeit raus, zu der sie aus sich herausgehen. Also, zumindest vermute ich das. Denn ich glaube nicht, dass einer von ihnen dann eine eigene Domina auf der Gehaltsliste stehen hat." "In diesem Punkt wäre ich mir nicht einmal sicher" schmunzelte Miri. "Vermutlich auch das. Japaner sind außergewöhnlich. Dort gibt es auch getragene Höschen in Automaten zu kaufen" schien Aaron allmählich aufzutauen. Miri freute sich, dass er nicht mehr zu sehr grübelte über das alles.

 

"Habe ich dir bei deinen Zweifeln und Gedankenspielen denn helfen können?" Miri war entspannt und sah sich ein wenig als die Wegbereiterin für Aarons Gedanken. Mit seiner eigentlich aktiven und dominant erwarteten Rolle kam er nicht sonderlich gut zurecht, weil er vor allen Dingen immer auf die Anderen schaute und nicht auf sich selbst. Bislang hatte er gewiss eine eher gewöhnlichere Sexualität ohne besondere Abweichungen, die von der Norm abwichen, wie sie die breite Masse so erwartete. Für Miri spielte das jedoch im Augenblick keine Rolle. Ganz sicher würde er sich auch der besonderen Erotik zuwenden, wenn er einen guten Einstieg in dieser Hinsicht hatte. "Du hast mir auf alle Fälle geholfen und mir irgendwie die Welt auf eine Weise erklärt, in der ich sie zuvor nicht gesehen habe. Es gibt nur noch einen Punkt, an dem ich etwas festhänge." "Und welcher ist das?" "Der Einstieg" antwortete Aaron knapp. "Der Einstieg? Der ins Gespräch ist dir zumindest nach einem kurzen Zögern gelungen. Was meinst du genau?" "Na ja, der Einstieg in die sexuellen Handlungen an sich. Also das Vorspiel. Bislang hatte ich nur gewöhnlichen Sex, gleichberechtigt wenn du es so nennen willst. Und bei dominant-devoten Spielen oder solchen Beziehungen läuft das gewiss ein wenig anders ab. Also ich kann mir vorstellen, küssen und streicheln kommt da kürzer als ich es zumindest bislang gekannt habe." "Och, das muss nicht zwangsläufig so sein. Ich denke, BDSM ist tiefer als du bislang sicher erlebt hast. Es erfordert sehr viel Nähe und Vertrauen, und das schenkt man sich gegenseitig. Vertrauen ist die wichtigste Komponente, da es mitunter recht weit gehen kann und man muss dem Partner vertrauen können, dass keine Grenzen überschritten werden. Grenzen kann man zwar verschieben, aber das geschieht erst nach und nach." "Aber woher kennt man seine Grenzen, wenn diese noch nie zuvor angesprochen worden sind?" "Man steigt doch erst einmal leicht ein und geht nicht gleich von null auf hundert weil das nicht funktionieren kann. Da geht man nach dem Bauchgefühl vor und überlegt sich, was der einfachste Einstieg in alles sein könnte und ehe man sich versieht, ist Lust im Spiel und es läuft." "Aber, um nochmals zurückzukommen auf das Vorspiel, das läuft doch dann vom aktiven Part aus? Ich meine, weil dieser Part grundsätzlich bestimmt, was läuft. Und dann ist es schwer, sich anzunähern, wenn man eigentlich in der abwartenden Position ist." "Der aktive der beiden Partner bestimmt und gestaltet den Einstieg ein wenig, ja. Aber Sexualität läuft zu zweit. Und wenn du einer dieser beiden bist, dann wirst du auch die Situation mit gestalten können. Egal, welcher Plan von deiner Partnerin gerade verfolgt wird." Aaron ließ die jüngsten Aussagen Miris auf sich wirken und blickte wieder ins Gras. Für das dritte Date hatte er andere Vorzeichen im Hinterkopf gehabt, bevor er sich auf dem Weg zur Verabredung gemacht hatte. Doch Miris Ausführungen ergaben alle ihren Sinn. Sie war unaufgeregt und sagte ihre offene Meinung zu allem. Für sie gab es keine Zweifel. Natürlich gab es die auch deshalb nicht, weil sie sich in diesem Metier ganz gut auskannte, aber das alles war nicht leichtfertig daher gesagt. Es brachte Aaron zum Nachdenken, ohne ihn und seine bisherige Sichtweise bloßzustellen. Für den Moment wusste er nicht, wie sich ihre heutige Begegnung fortsetzen sollte. Doch der Austausch war sicher sehr wertvoll, ganz egal was nun noch folgte. "Wie oft befriedigst du dich denn bei deinen Gedanken an eine Frau, die dir den Ton angibt? Sind diese Phantasien seltener oder häufiger als ganz normale?" Aaron war diese Frage ein wenig unangenehm, weil sie konkreter war als ihre bisherige Unterhaltung. Diese war recht allgemein gehalten und ging noch nicht arg weit unter die Gürtellinie. Vielleicht war diese gezielte Nachfrage aber auch der richtige Weg. Aaron war bislang stets bei der Wahrheit geblieben, so wollte er genauso ehrlich auch auf Miris deutlichen Vorstoß antworten. Dem Grunde nach konnte er sich auch bloß selbst belügen, wenn er unehrlich antwortete. "Eindeutig habe ich häufiger Phantasien von einer tonangebenden Frau. Manchmal habe ich sogar ein fast schlechtes Gewissen, wenn ich es mir mache. Allerdings gab es nie eine Frau, die in irgendeiner Form eingegriffen hätte. Folglich bräuchte ich mir keine Gedanken darum zu machen, mich selbst mit einem schlechten Gewissen einzuschränken." Faktisch jedoch machte sich Aaron diese Gedanken offenbar viel zu oft, wie man zwischen den Zeilen heraushören konnte. "Wie oft spritzt du ab?" Miris Wortwahl wurde nun plötzlich deutlicher. "Etwa drei bis vier Mal in der Woche" antwortete Aaron gleich auch schneller als zuvor. Von Anfang an hätte diese Fragetechnik vermutlich nichts genutzt, doch inzwischen war eine gute Grundlage dafür entstanden, da er ganz offen über seine Zweifel gesprochen hatte. "Und wie oft wünschst du dir, dass du stattdessen einen realen Kontakt zu einer Frau hast, anstatt es dir nur selbst zu machen? Mit einer Frau an deiner Seite wären sehr viele andere Sachen möglich gewesen" steuerte Miri ganz bewusst auf ein bestimmtes Ziel zu. "Fast jedes Mal inzwischen. Es sind nicht mehr nur einfache Phantasien, um mich zu erregen und zu stimulieren. Auch die Sehnsucht nach Hautkontakt oder einem lustvollen Spiel mit einer echten Frau wird stärker und stärker. Ab und zu sehe ich mir Pornos dabei an, damit ich den Eindruck erhalte, dass es dadurch realer wird. Auch wenn nicht wirklich jemand anwesend ist." "Wie viel wichtiger wäre es denn, dass eine Frau deinen Schwanz in der Hand hat? Dass es nicht mehr deine eigene Hand ist, die ihn berührt? Eine Frau wüsste ganz genau, was sie macht und wie weit sie geht. Vor allem wüsste sie auch, wie weit du gehen darfst" ließ Miri ihren Gedanken freien Lauf und war sich dessen bewusst, welch starke Tasten sie bei Aaron damit drückte. "Sehr viel wertvoller wäre es. Das ist mit Worten gar nicht zu beschreiben" lautet die erneut sehr schnell gegebene Antwort. Miri hörte seine Erregung heraus. Gerade hatte Aaron den gedanklichen Bogen zwischen Theorie und Praxis geschlagen und hatte hundertprozentig auch Kopfkino. Da er sich ihr zudem anvertraute, hatte er sicherlich sogar gemeinsame Bilder mit ihr im Kopf. "Manchmal braucht man keine Worte dazu. Man muss nicht alles zerreden. Knie dich mal hin" forderte sie Aaron auf, der sie ganz überrascht ansah. Allerdings wehrte er sich gegen diese Vorgabe nicht, obwohl er nicht ahnen konnte, worauf Miri letztendlich hinaus wollte. Bis jetzt war es bereits eine außergewöhnliche Verabredung und nun begann sie, geradezu verrückt zu werden. Aaron kniete sich ins Gras, das er sich dabei auch ansah, um Miris Blick zu entgehen. Seine Angst vor ungebetenen Zuschauern schien einem ganz besonderen Mut gewichen zu sein...

 

 

 

 


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